ALAIN PROST HAT SICH IN ESTORIL SEINEN VIERTEN WELTMEISTER- TITEL GESICHERT. DOCH DER FRANZOSE TRITT NACH 13 JAHREN FORMEL 1 ENDGÜLTIG AB UND FREUT SICH AUF DAS LEBEN DANACH.

ALAIN, DEIN RÜCKTRITT SCHEINT UNWIDERRUFLICH ZU SEIN. WARUM HÖRST DU WIRKLICH AUF?
Eines Tages musste ich diesen Entscheid ja fällen. Ich bin 39 Jahre alt und habe in meinem Leben noch viel vor. Rennen fahren ist nicht alles. Ich hatte eine phantastische Karriere. Ich glaube schon, dass es nach 13 Jahren Zeit ist aufzuhören. Ich habe immer noch Freude an der Formel 1. Aber ich musste mich für 1994 entscheiden, und ich wollte keine grösseren Risiken mehr eingehen. Es sind sehr viele Dinge passiert, die ich nicht akzeptiere. Es wäre schwierig gewesen, die Motivation für 1994 zu finden, wenn du weisst: Wenn du mit dem Williams gewinnst, ist das alles normal. Aber wenn du verlierst, hast du absolut keine Ausrede mehr. Das ist nicht das, was ich brauche, um ein Auto für ein Team zu fahren.

WANN GENAU HAST DU DICH ZUM RÜCKTRITT ENTSCHLOSSEN?
Etwa vor einem Monat.

GESCHAH DIES IN EINEM SPEZIELLEN MOMENT?
Ich weiss es gar nicht mehr genau. Nach Donington habe ich sogar schon an Rücktritt gedacht. Es geht immer auf und ab. Und ich fragte mich, willst du dir das wirklich nochmals ein Jahr antun, Alain? Dann kam mein Entschluss, und der ist endgültig. Ich wollte nie, dass mein Privatleben davon abhängt, was auf der Rennstrecke passiert. Und das ist immer mehr geschehen. Ich trete jetzt jedenfalls mit einem guten Gefühl ab.

WOMIT GENAU WARST DU DENN NICHT EINVERSTANDEN?
Es sind einige Sachen passiert, über die ich nicht reden will.

WAS WIRST DU JETZT MACHEN?
Moment, die Saison ist noch nicht vorbei. Es sind immer noch zwei Rennen zu fahren. Gut, ich habe meinen vierten Weltmeistertitel jetzt schon gewonnen und freue mich sehr darüber. Was nach meiner Karriere passiert? Ich habe viel Zeit darüber nachzudenken. Ich könnte in der Formel 1 bleiben - das ist eine Möglichkeit. Aber wenn, dann nur in einer starken Position und in einem Full-time-Job. Sonst gehe ich komplett weg vom GP-Zirkus. Für einen Teilzeitjob bin ich mir zu schade.

NIMMT SENNA DEINEN PLATZ BEI WILLIAMS EIN, WIE ÜBERALL BEHAUPTET WIRD?
Frank Williams sagte, er würde seine Fahrer in etwa zwei Wochen nennen. Das muss genügen. Aber mir ist wichtig zu sagen, dass ich ein sehr gutes Verhältnis zu Frank hatte, er hat nichts mit meinem Rücktritt zu tun. Ich habe mir alles genau überlegt und bin zum Entschluss gekommen, dass ich in einem guten Moment abtreten werde, und der ist jetzt gekommen.

IHR HATTET OFFENSICHTLICH EINEN GUTEN TEAMGEIST BEI WILLIAMS. DU HAST DICH SOGAR ÜBER DIE SIEGE VON DAMON HILL GEFREUT. DAS IST IN DER FORMEL 1 DOCH EHER UNÜBLICH?
Das stimmt. Es ist schon eine Seltenheit, wenn sich ein Fahrer über die Erfolge seines Teamkollegen freut. Aber ehrlich: Es war so. Sogar in Monza, als ich mich über meinen Ausfall fürchterlich aufgeregt habe, gönnte ich ihm den Sieg von ganzem Herzen. So bin ich halt.

WO SEHEN WIR DICH IN ZUKUNFT?
Sicher ist, dass ich ein riesiger Sportfan bin und immer bleiben werde. Ich liebe den Sport und brauche ihn wie die Luft zum Atmen. Ich habe immer viel neben der Formel 1 gemacht. Weil es gut für den Kopf ist. Darum war ich auch manchmal so stark, denn wenn ich Probleme in der Formel 1 hatte, dachte ich immer an etwas anderes. Und wenn ich Zeit hatte, habe ich auch andere Sportarten betrieben. Ich spiele Golf oder Tennis oder bin Skifahren gegangen. Das werde ich weiter tun, zumal ich jetzt auch Radrennen bestreiten will.

VIELE WERDEN DEINEN RÜCKTRITT BEDAUERN.
Ich weiss nicht, ob es tatsächlich so ist. Ich jedenfalls bin glücklich und erleichtert. Denn sobald man eine wichtige Entscheidung getroffen hat, fühlt man sich besser. Einmal musst du sowieso aufhören. Jetzt werden ein paar sagen, ach, wie traurig, dass er gegangen ist. Aber schon ein paar Monate später denkt keiner mehr an dich. Ich mache mir jedenfalls keine Sorgen um die Formel 1-Fans. Die Franzosen werden in Zukunft einfach Alesi haben.

WIE WÜRDEST DU DEN FANS GERNE IN ERINNERUNG BLEIBEN?
Daran mag ich nicht denken. Ich glaube, dass ich meine Pflicht erfüllt, meine Arbeit getan habe. Wenn jemand soviel Medienrummel um sich herum hat, wie ich, dem wird einfach ein Image verpasst. Kaum einer weiss, wie du wirklich bist. Und darum frage ich keinen. Ich will es auch gar nicht wissen. Es ist vorbei. Ich glaube dennoch, dass die Leute, die mich kennen, mich auch mögen. Glaube mir, ich bin anders, als man in der Formel 1 denkt.

HAT DICH DIE GEFAHR, SENNA NÄCHSTES JAHR ALS TEAMKOLLEGEN ZU HABEN, IN DEINEM RÜCKTRITT BESTÄRKT?
Zum letzten Mal: Nein. Denn als ich meine Entscheidung fällte, war von Senna noch keine Rede. Zumindest hat mit mir niemand darüber gesprochen. Ob man mich jetzt als Weltmeister informiert hätte bleibt eine Spekulation.

KANNST DU DIR VORSTELLEN, DASS DU DICH IN 30 JAHREN MIT SENNA AUF EIN BIER ZUSAMMENSETZEN WIRST, UM MIT IHM ÜBER EURE GEMEINSAME FORMEL-1-ZEIT ERINNERUNGEN AUSZUTAUSCHEN?
Vielleicht. Das hiesse jedenfalls, dass wir beide ein sehr langes Leben haben würden. Das wäre gut für uns beide.