MOTORSPORT AKTUELL, 26.01.1999

"Es gibt keine Abkürzung"



Teamchef Alain Prost analysiert, warum sein Rennstall kläglich versagt hat.

Prost erlebte eine katastrophale Formel-1-Saison 1998. Aber Teamchef Alain Prost sagt: "Es gibt keine Abkürzungen zum Erfolg. Wir mussten da durch, um 1999 besser zu werden. Jetzt streben wir Rang 3 oder 4 im Konstrukteurs-Pokal an."

Vier WM-Titel hat der Franzose Alain Prost im Laufe seiner 199 Grand Prix langen Karriere errungen. Er hat mehr WM-Punkte als jeder andere Fahrer erobert, mehr Siege, mehr schnellste Rennrunden. Aber nicht alles, was der Mann anfasst, wird zu Gold: Sein erstes Jahr mit eigenem Auto war disaströs. Prost ist der erste, der dies zugibt.

Welches sind die Worte, die dir am schnellsten einfallen, wenn du an die Saison 1998 denkst?
Schwierigkeiten, Enttäuschung. Aber im gleichen Moment versuche ich daran zu denken, dass es mir gelungen ist, innerhalb eines Jahres ein Formel-1-Team aufgebaut zu haben. Und das ist ein sehr schönes Gefühl. Im Oktober 1997 arbeiteten 70 Leute in Magny-Cours. Der Spatenstich für die neue Fabrik in Guyancourt bei Paris war eben erfolgt. Ich rechnete mir aus, dass wir Rang 5 im Konstrukteurs-Pokal erreichen können, vielleicht sogar den vierten. Aber das Hauptziel bestand immer darin, das Team auszubauen, es in den Raum Paris und zum Funktionieren zu bringen. Was die technischen und fachlichen Ressourcen angeht, zähle ich uns zu den besten vier Teams der Formel 1. Wenn ich allerdings sehe, wie wir das in der Saison 1998 umgesetzt haben, dann sehe ich nur Negatives.

Wenn du ein Jahr zurückgehen könntest - was würdest du beim Aufbau des Teams anders machen?
Ich würde alles genau gleich machen. Die grundsätzlichen Entscheidungen, was die Zukunft des Teams betrifft, waren richtig. Bau einer neuen Fabrik, Umzug, Umstellung der Produktion, Ausbau der Maschinen, ohne all dies wären wir unserem Ziel erheblich näher gekommen, aber all dies war notwendig. Was die Ergebnisse angeht, entsprach die Saison nicht unseren Erwartungen. Aber wir mussten da durch, wenn wir so schnell als möglich ein erstklassiges Team aufbauen wollten. Es gibt keine Abkürzung zum Erfolg.

Rennfahrer sind ungeduldige Menschen. Wie hast du Trulli und Panis bei Laune halten können?
Ich habe versucht, ihnen zu zeigen, welchen Weg wir gehen. Ich musste ihnen klar machen, welche Rolle sie auf diesem Weg spielen. Ungeduld bringt dich in diesem Sport keinen Schritt weiter, nur harte Arbeit. Wenn sich jeder schmollend in seine Ecke verkriecht, kommst du nicht weit. Sechs Jahre lang haben Ferrari, McLaren, Williams und Benetton die ersten vier Plätze im Konstrukteurs-Pokal belegt. Das ist kein Zufall. Es gibt keine Sportart der Welt, in welcher vier Mannschaften den Erfolg so für sich beansprucht haben. Im Laufe meiner Karriere bin ich für McLaren, Ferrari und Williams gefahren. Unser Technischer Direktor Bernard Dudot hat im Rahmen seiner Tätigkeit für Renault mit Benetton und Williams gearbeitet. Wir wissen, warum diese Teams so stark sind. Da ist zunächst die Stabilität. 90 Prozent der Belegschaft ist seit vielen Jahren dort. Dann sind da die technischen und finanziellen Möglichkeiten, die es ihnen erlauben, ihre Programme auf längere Sicht auszulegen, auf drei oder vier Jahre hinaus. Das muss auch unser Ziel sein. Der Erfolg in der Formel 1 liegt weniger am Budget des jeweiligen Jahres sondern daran, ob ein Team weitsichtig arbeiten kann.

Gab es 1998 auch Momente, die du in guter Erinnerung behältst?
Diese Momente waren selten. Der eine WM-Punkt in Spa-Francorchamps war eine Erlösung, aus diesem Grund war es ein sehr emotionaler Moment. Aber die grössere Befriedigung bestand darin, dass wir unser Versuchsmodell rechtzeitig bereit hatten, um damit Teile für das neue Auto auszuprobieren. Im Juni hatten wir uns dieses Ziel gesetzt, wir haben es erreicht. Das beweist, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Stimmt es, dass der AP01B eigentlich gar nicht für einen Renneinsatz beim WM-Finale in Japan bestimmt war?
Ja. Wir haben im Juni den Bau dieses Fahrzeugs beschlossen, weil wir damit Erfahrungen für den 1999er AP02 sammeln wollten. Das Auto stand nie im Windkanal, die Aerodynamik ist eher rudimentär. Aber es war der einzige Weg, das neue Getriebe, den verlängerten Radstand und den neuen Peugeot-Motor A18 unter Bedingungen auszuprobieren, wie wir sie 1999 antreffen werden. Nach nur zwei Wochen war das Laborauto nicht nur schneller als das 1998er Fahrzeug, sondern auch zuverlässiger. Daher entschlossen wir uns, den Wagen mit nach Japan zu nehmen. Aber es gab nur ein Fahrzeug und viel zu wenig Ersatzteile. Jarno und Olivier haben Zündhölzer gezogen, dabei zog Panis den kürzeren.

War es schwierig, deine Partner und Sponsoren davon zu überzeugen, trotz der schlechten Saison weiterzumachen?
Nein. Kein einziger Partner oder Sponsor ist abgesprungen. Dieser Vertrauensbeweis rührt mich. Wir gehen in die Saison 1999 mit dem gleichen Budget wie im vergangenen Jahr - ungefähr 85 Millionen Mark. Unsere Partner sind grosse Firmen. Deshalb wissen sie, das es eine Weile dauern kann, bis sich Investitionen auszahlen. Das ändert nichts daran, dass wir 1999 zwei Gänge zulegen müssen.

Was liegt 1999 für Prost drin?
Ferrari oder McLaren gefährden zu wollen, ist unmöglich. Dazu haben wir noch nicht alle notwendigen Elemente vereint. Unser Ziel muss darin bestehen, den Platz hinter diesen Teams zu erreichen, also Rang 3 oder 4 im Konstrukteurs-Pokal.

Emerson Fittipaldi hat einmal gesagt: "Als ich vom Rennfahrer zum Teamchef wurde, erhielt ich einen Empfang, als ob eine Tänzerin des Crazy Horse ins Ballett-Ensemble eintreten will." Ist es dir ähnlich ergangen?
Nein, überhaupt nicht. Ich hatte im Gegenteil den Eindruck, dass ich sehr gut aufgenommen wurde. Vielleicht deshalb, weil mein Projekt glaubwürdig und gut strukturiert war. Emerson hat das Copersucar-Team 1976 gegründet. Damals war es möglich, ein Formel-1-Team auf die Beine zu stellen, das nicht bis ins Detail durchdacht war. Das wäre heute undenkbar, denn der Sport hat sich komplett geändert. Dazu befinden wir uns in einer zweiten Welle des Umbruchs: Die Formel 1 erschliesst neue Märkte, wie Malaysia oder China, wie die USA und Afrika. Die Formel 1 wird zunehmen zu einem Schaukasten der Autowerke in der ganzen Welt. Da kann man sich keine Halbherzigkeiten mehr leisten. Die grossen Werke werden noch viel stärker im Formel-1-Sport auftreten und sich mit den verschiedenen Teams verbünden. Es ist eine unvermeidliche und logische Tendenz.


Rob LaSalle



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