SPORT AUTO, 01.04.1991

ALAIN PROST: Prost Scriptum (1)


DIE FORMEL 1 PRODUZIERT STÄNDIG SCHLAGZEILEN. ALAIN PROST BLICKT FÜR SPORT AUTO HINTER DIE KULISSEN, KOMMENTIERT, KRITISIERT UND DENKT ÜBER SEIN METIER NACH. DER FRANZOSE SAGT IN SPORT AUTO, WAS SACHE IST. ER MEINT...

... ZU SEINEM ZWEIJAHRESVERTRAG MIT FERRARI:
Ich habe letztes Jahr in der Woche vor dem Grand Prix von Belgien bei Ferrari für ein Jahr unterschrieben. Im Dezember sah plötzlich alles ganz anders aus. Der Grand Prix von Japan und seine Nachwirkungen ließen bei mir Zweifel aufkommen. Einen Monat lang stand ich kurz davor, alles hinzuwerfen. Irgendwann habe ich mich selbst gefragt: Soll ich aufhören oder unter bestimmten Bedingungen vielleicht doch weitermachen? Und wenn schon weitermachen, dann nur für ein Jahr? Ich sagte mir: Es ist besser aufzuhören, als nur ein Jahr dranzuhängen. Deshalb habe ich Ferrari vor die Wahl gestellt: Entweder ich fahre zwei Jahre oder ich steige aus. Ferrari hat einen Zweijahresvertrag akzeptiert. Die Bekanntgabe des Vertrages zögerte sich bis Anfang März hinaus, weil wir uns zwar prinzipiell einig waren, es aber in Detailfragen kleine Probleme gab. Der ursprüngliche Einjahresvertrag mußte komplett umgeschrieben werden. Ich habe einige zusätzliche Dinge gefordert, und es war nicht immer leicht, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Einmal kamen die Verhandlungen komplett ins Stocken. Es ging dabei um die Art der Bezahlung. Ohne hier die Einzelheiten breitzutreten: Das Gehalt ist zum Teil abhängig von den Resultaten des Teams. Ich habe Ferrari klargemacht, daß ich primär für das Team arbeite, nicht für mich selbst. Also will ich auch dafür belohnt werden, wenn das Team von meiner Arbeit profitiert.

... ÜBER DIE GRÜNDE, WARUM ER DEN VERTRAG UM ZWEI JAHRE VERLÄNGERT HAT:
Es gab viele Gründe, und Senna war ein Teil davon. Ich wollte nicht, daß er 1992 die Früchte meiner Arbeit erntet. Ich will selbst die Resultate sehen. Wenn ich nur noch ein Jahr weitergefahren wäre, hätte sich die ganze Arbeit des letzten Jahres nicht ausgezahlt.

... ÜBER DIE FAHRERGEHÄLTER:
Wenn ich in den Zeitungen die Summen sehe, die wir angeblich verdienen, muß ich oft lachen. Keiner - selbst wir Fahrer untereinander - kennt die exakten Gehälter, mit Ausnahme des eigenen natürlich. Bei meinen Kollegen weiß ich nicht einmal, nach welchem System sie bezahlt werden. Das ändert sich oft von Jahr zu Jahr. Mir ist das auch schon passiert. Es gab Jahre, da wurde ich pauschal für die Saison entlohnt. Dann wieder, ich glaube es war 1984, habe ich ein Fixum von 300'000 Dollar bekommen, plus einen Bonus für WM-Punkte und Grand Prix-Siege. Sie sehen, für Außenstehende ist es unmöglich, abzuschätzen, wieviel wir verdienen. Wenn dann irgendwelche Phantasiezahlen verbreitet werden, schadet es dem Sport mehr, als es ihm nützt. Kürzlich hat eine französische Zeitung behauptet, daß ich bei Ferrari 400 Millionen Francs verdienen würde. Stellen Sie sich eine solche Summe vor. Würde ich in Frankreich leben, müßte ich 80 Prozent Steuern zahlen. Ich will nicht klagen. Ein paar von uns, vielleicht vier oder fünf Piloten, verdienen gutes Geld. Die meisten Leute glauben aber, daß es allen so gut geht. Ich würde sagen, daß Senna sicher mehr bekommt als ich. Das stört mich nicht, denn der Verdienst war bei meinen Vertragsverhandlungen noch nie das wichtigste Argument. Das habe ich auch Ferrari klargemacht. Als ich McLaren verliess, war mein Hauptanliegen, Ferrari zum WM-Titel zu verhelfen. Dafür will ich gerecht entlohnt werden. Ich arbeite mehr als alle anderen Piloten in der Formel 1, also habe ich den Anspruch, wenigstens in die Nähe der Gagen zu kommen, die andere Toppiloten auch verdienen.

... ÜBER DAS PROBLEM DER EMOTIONEN BEI FERRARI:
Die Emotionen sind immer noch das größte Problem bei Ferrari. Als Jean Alesi in Phoenix am Freitag Trainingsbestzeit fuhr, haben alle schon vom Sieg geträumt. Es ist sehr schwer, den Ferrari-Leuten diesen Selbstbetrug auszutreiben. So ist ihre Mentalität nun mal. Aber um zu gewinnen, braucht man in der Formel 1 einen klaren Kopf und ein selbstkritisches Urteilsvermögen.

... ÜBER DIE UNPROFESSIONELLE ARBEIT DER STRECKENPOSTEN BEIM PATRESE/MORENO-UNFALL IN PHOENIX:
Ich will den Streckenposten keine Schuld geben. Sie tun ihre Arbeit oft freiwillig, für wenig oder gar kein Geld, und die meisten machen so etwas einmal im Jahr. Viel schlimmer ist es, daß ein professioneller Sport in diesem Punkt einfach nicht professionell organisiert ist. Auch auf die Gefahr hin, daß jetzt alle sagen, der Prost sei nie zufrieden, beschwere ich mich immer wieder bei der FISA über das Sicherheitsproblem. Leider bin ich der einzige , der den Mund aufmacht. In Phoenix ist schon mal die Strecke schlecht. Ich kann nicht verstehen, daß eines der reichsten Länder der Welt und eine sehr reiche Stadt wie Phoenix nicht in der Lage sind, eine permanente Rennstrecke zu bauen. Das kostet schlußendlich weniger Geld, als in Phoenix allein dafür ausgegeben wird, jedes Jahr für ein paar Tage die halbe Stadt zu sperren. Und wenn wir schon auf so einer schlimmen Strecke fahren müssen, warum stehen an den gefährlichsten Stellen keine Kräne? Leider geht der Trend immer mehr zu dieser Art Strecken. Ich habe mir das CART-Rennen von Surfers Paradise im Fernsehen angeschaut. Das war ein Witz. Da stoßen zwei Autos zusammen und das dritte kann nicht vorbei, weil die Strecke zu eng ist. So macht sich unser Sport lächerlich, Es mag sein, daß es Zuschauer gibt, die solche Art von Zwischenfällen gerne sehen. Sie sollten lieber daran denken, daß so etwas nicht mit Rennfahren zu tun hat.

... ÜBER DAS NEUE PUNKTESYSTEM:
Wenn alle Resultate zählen, sind zehn Punkte für den Sieger in Ordnung. Wer Weltmeister werden will, muß Rennen gewinnen und gleichzeitig das Auto so oft wie möglich ins Ziel bringen.

... ÜBER DIE SICHERHEITSKOMMISSION:
Das wird keinen großen Einfluß auf die Fahrweise einiger Piloten haben. Das einzige, das irgend etwas bewirken kann, ist ein Umdenken der Fahrer. Wir brauchen mehr Respekt füreinander. Fair play ist für viele ein Fremdwort. Dieses Umdenken hätte schon viel früher passieren müssen. Jetzt, wo das Problem da ist, wird es schwer, irgend etwas zu ändern. Ich finde es auch unfair, daß man mit einem weißen Blatt Papier anfängt. Ich bin bestimmt kein gefährlicher Fahrer, aber ich kann nie garantieren, daß mir nicht auch mal ein Fehler unterläuft. Wenn ich dabei dann ein anderes Auto von der Strecke stoße, werde ich vielleicht für ein Rennen gesperrt. Ein anderer Fahrer, der in den letzten fünf Jahren öfter in Unfälle verwickelt war, wird unter Umständen genauso bestraft. Das ist ungerecht. Man sollte bei jedem Fahrer berücksichtigen, wie er sich in der Vergangenheit verhalten hat.

... ZU DEM ENTTÄUSCHENDEN ABSCHNEIDEN DER FERRARI IN BRASILIEN:
Wir haben große Probleme beim Beschleunigen aus langsamen Ecken heraus. Der Motor ist im unteren Drehzahlbereich zu schwach, und das Chassis baut zu wenig Traktion auf. Vielleicht rächt es sich jetzt, daß wir beim Testen im Winter praktisch nie auf starke Konkurrenz getroffen sind. Wir waren immer klar die schnellsten und fühlten uns auf der sicheren Seite.

... WARUM HABEN SIE ENDE 1987 LIEBER SENNA ALS TEAMKOLLEGEN BEI MCLAREN AKZEPTIERT ALS PIQUET?
Die Geschichte stimmt, aber ich muß da etwas erklären. Privat bin ich ein guter Freund von Nelson. Aber zur damaligen Zeit dachte ich, daß Senna die größere Zukunft gehören würde. Ausserdem hatte ich Angst, daß es mit Piquet auf beruflicher Basis Probleme gegeben hätte. Ich war zu dieser Zeit ziemlich eng mit McLaren verbunden, und es war immer mein Traum, das beste Team der Welt mit den beiden besten Fahrern zusammenzubringen. Aus heutiger Sicht muß ich sagen: Ich habe mich seinerzeit gründlich geirrt.



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