F1 RACING, 01.04.1996

ALAIN PROST - Wie kommt ein Ex-Weltmeister dazu, Testfahrer zu werden?


Was genau ist Ihre Aufgabe bei McLaren?
Ich bin Teil des technischen Teams. Mit meiner Erfahrung helfe ich bei der Entwicklung und dem Testen neuer Wagen. Ich berate die Ingenieure und sporne die Fahrer, Mika Häkkinen und David Coulthard, an. Weltmeister war ich viermal - McLaren nun wieder nach vorne zu bringen, ist daher in vielerlei Hinsicht herausfordernder und auch komplizierter, als nur Rennen zu fahren. Das wäre für mich ein Rückschritt - warum sollte ich das machen? Ich muß nichts beweisen. Man sollte sich im Leben vorwärts bewegen.

Ist diese Rolle vergleichbar mit Niki Laudas bei Ferrari?
Mit seinem Job läßt sich das überhaupt nicht vergleichen. Den wollte ich wirklich nicht machen.

Was wird während dieser Saison passieren?
Williams und Damon sind Titel-Favoriten. Das kann sich aber im Laufe der Saison noch ändern. Hill sollte deshalb besser früh damit anfangen, Punkte einzufahren. Ich kann mir gut vorstellen, daß Teams wie Ferrari und McLaren zunächst unter 100 Prozent arbeiten, dann aber viel aufholen.

Siegt ein überdurchschnittlich guter Wagen normalerweise von Anfang an?
Nicht immer. Schumacher hat das letztes Jahr mit Benetton bewiesen. Das Auto lief zu Saisonbeginn noch nicht so besonders, fing dann aber nach vier Rennen an zu siegen.

Wird Michael Schumacher Ihren Rekord (von 51 Siegen) brechen?
Als er anfing, war er jünger als ich. Er hat also gute Chancen. Was das Geld betrifft, hat er mich natürlich längst übertroffen!

Grund genug, irgendwann wieder selbst zu starten?
Nein. Ich liebe es immer noch, die weltbesten Autos zu fahren - aber nicht in Rennen.

Warum schwärmen Sie immer noch für McLaren?
McLaren ist das menschlichste Team. Von außen mag das gelegentlich einen anderen Eindruck erwecken - der Eindruck täuscht aber. Sie hatten Probleme, aber das ist bei vier Motorenlieferanten in vier Jahren (Honda 1992, Ford 1993, Peugeot 1994, Mercedes 1995) durchaus verständlich.

Ist so etwas tatsächlich dermassen problematisch?
Sicher. Man darf in dem Zusammenhang nicht nur an ein Chassis und einen Motor denken - man muß sich das als komplettes Paket vorstellen. Ist ein Motor nicht optimal kontrollierbar, dann hat man keine Chance, den Wagen gut zu fahren. Das beeinflußt das Set-up des Autos, die Bodenhaftung, Reifenabnützung und vieles mehr.

Was war am letztjährigen MP4/10 verkehrt?
Das Paket war nicht gut und der Motor war nicht sehr kontrollierbar. Das neue Auto scheint wesentlich besser zu sein: Der MP4/11 hat ein völlig neues Chassis. Schaut man sich an, wie das Gewicht verteilt ist - genauso Radabstand und so weiter -, stellt man fest, daß der MP4/11 ein ganz neues Auto ist. Es wird eine ganze Weile dauern, ihn zu verstehen, aber wenn es so weit ist, werden wir damit richtig abgehen.

McLaren fuhr früher allen davon. Ist es zu erwarten, dass es diesmal wieder dazu kommt?
Williams kann das derzeit, weil deren Motor sehr gut und zuverlässig ist. Hinzu kommt, daß sie ein Auto haben, bei dem sie von Jahr zu Jahr nur Details verändern. Wir dagegen müssen, bevor wir ans Überholen denken, erst mal aufholen.

Wird das mit dem MP4/11 gelingen?
Er läßt sich gut verändern - was man als Zeichen für einen guten Wagen deutet. In Kurvenenden verhält er sich viel besser, hat besseren Abtrieb und mehr Bodenhaftung. Manchmal kann man sich bei einem neuen Auto aber auch irren: Man möchte so sehr, daß es gut wird, daß es das eigene Urteil verzerrt.

Machen Sie den Fahrern Druck?
Wenn ich nur fünfzig Prozent gebe, bringt das keinem was. Die besten Tests hat man, wenn sich einer zu 95 Prozent aufs Fahren konzentriert, und zu fünf aufs Auto. Das ist sehr wichtig, um den Ingenieuren das nötige Feedback zu geben. Druck gehört eben dazu. Ich mache das nicht, um mit ihnen um die Wette zu fahren. Ich fahre immer mit vollem Tank - wenn die also mit leerem Tank und frischen Reifen durchstarten, sind sie sowieso schneller als ich.



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